Das Valle di Muggio

Eigentümlich ist es, das Valle di Muggio! Dort, zwischen Mendrisio und Chiasso, wo der Kanton Tessin im baulichen und verkehrsmässigen Chaos endet, beginnt eines der reizvollsten Täler der Schweiz.

Im Muggiotal sind noch zahlreiche und zum Teil einzigartige bauliche Zeugen der alten agrarischen Kulturlandschaft zu sehen. Diese Einrichtungen zeigen die ehemals kluge sparsame und nachhaltige Nutzung der vorhandenen Ressourcen auf. In erster Linie ist die nevèra zu erwähnen, die in der Schweiz sonst nirgends zu finden ist. Es handelt sich um einen zylindrischen Bau mit Bruchsteinmauerwerk und einem konischen Steinplattendach. Im Winter wurde das mehrere Meter tiefe Gebäude mit Schnee gefüllt, der bis in den Sommer hinein erhalten blieb. Die Bauern kühlten darin ihre Milch, bis diese weiterverarbeitet werden konnte. Weitere Besonderheiten sind die graa, Dörrhäuser für Kastanien, die cisterna, welche das Dachwasser auffangen und speichern, und der roccolo, ein Vogelfangturm. Aber auch Brücken und bolle (Mulden, die das Regenwasser auffangen und den Tieren als Tränke dienen), Kastanienselven und Mühlen gehören zur traditionellen Kulturlandschaft des Muggiotales. Dank der Hilfe des Fonds Landschaft Schweiz und des Kantons Tessin konnte das Museo etnografico della Valle di Muggio (MEVM) verschiedene solcher Schätze restaurieren.

Diese baulichen Instandsetzungen stehen im Zeichen der Förderung der Identität und eines landschaftsorientierten Tourismus. Sie sind wichtige Bestandteile der interessanten Themenwanderwege im Valle di Muggio. Das MEVM bietet geführte Wanderungen, Publikationen, eine Wanderkarte und thematische Ausstellungen (nevèra, Kastanie, Mühle). Denn nur wer die Vielfalt der Kulturlandschaft kennt, lernt sie auch zu schätzen und zu lieben.

Eine beliebte touristische Attraktion ist die restaurierte Mühle von Bruzella, die wie in alten Tagen Mais mahlt. Seit drei Jahren werden im Muggiotal wieder Kastanien gesammelt. Sie werden in Cabbio gedörrt, wo die graa wieder benützt werden. Der roccolo von Scudellate kann besucht werden und Fachleute erklären den Interessierten die Technik des Vogelfangs. Die Mühle von Bruzella dient provisorisch als Informationszentrum des MEVM; bald – dank Hilfe der Kantone Zürich und Tessin – wird die Casa Cantoni in Cabbio diese Funktion übernehmen.

Die Aktivitäten rund um das Projekt Paesaggio antropico nützen dem lokalen Gewerbe und bilden eine Basis für neue landschaftsorientierte Tourismusangebote im Valle di Muggio. Das Tal ist ein Modell für die Verbindung von Landschaftsschutz und sanftem Tourismus, eine gelebte Landschaft auf handwerklich und ökologisch hohem Niveau.
(Zitat: unbekannt)

Nevère

Lange bevor elektrische Kühlgeräte existierten, hatte man im Valle di Muggio eine geniale Methode gefunden, Milch und Butter an einem kühlen feuchten Ort aufzubewahren, nämlich in der Nevera. Die Nevere liegen zum Teil recht weit weg vom Arbeitsplatz des Aelplers, weil sie möglichst günstig liegen sollen. Man baute diese Milchkeller in einen Moränenhang oder eine Geröllhalde hinein – mehrere Meter tief in den Boden – versehen mit einer Türe, einem Fenster und einer Rundtreppe entlang der Innenwand, die bis zum Boden führt. Die Eiskeller sind mit Hilfe der Trockenmauertechnik (also ohne Mörtel) gebaut und haben darum dicke Wände aus Kieselkalk-Gestein. Das Dach ist ein „falsches Gewölbe“; es besteht aus geschickt übereinandergeschichteten Steinplatten. Im Tessin stehen diese Vorratskammern für die wertvollen Milchprodukte meist an einer Quelle, wo sie laufend mit kühlem Wasser gefüllt werden. Milch und Butter werden dann in grossen Kupferkesseln gelagert, die im Wasser drin liegen. Das Muggiotal jedoch leidet an Wassermangel. Die Bevölkerung liess sich darum etwas Raffiniertes einfallen: Im Spätwinter werden Schnee und Eis durch Türe und Fenster in die Nevera (neve = Schnee) hineingeschaufelt und gestampft. Um diese ca. 40 Kubikmeter der Nevera zu füllen brauchen zwei Leute drei Tage. Dann wird eine Lage Stroh auf den Schnee gelegt, um vor der Wärme von aussen zu isolieren.

Milch und Butter werden jetzt auf den Schnee gelegt und können lange gelagert werden. Käse gehört nicht in die Nevera, weil hier die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist. Dank der runden Form der Nevere stimmt das Verhältnis vom Volumen zur Oberfläche optimal überein, und es geht weniger Kälte verloren als z.B. in einem Eiskeller mit einer rechteckigen Grundfläche.

Bäume, rund um den Milchkeller, geben zusätzlich Schatten. So ist es möglich, dass Schnee, der im Dezember in die Nevera kommt, Ende Oktober noch vorhanden ist. In der Nevera herrscht das ganze Jahr hindurch eine Temperatur von knapp unter 10° Celsius, auch wenn die Aussentemperatur stark schwankt.
(Zitat: unbekannt)

Mulini

Die Mühle von Bruzella ist die letzte intakte Mühlen im Tal. Früher gab es ein knappes Dutzend davon entlang der Breggia. Alle anderen sind zerfallen. Sie ist ein Teil des MEVM und hat immer Donnerstags und am 1. und 3. Sonntag des Monats geöffnet. Sehr interessant, v.a. für Kinder: selber mahlen können.

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Formaggini

Die Formaggini sind ein typisches und dank dem speziellen Aroma geschätztes Produkt des Valle di Muggio. Sie werden aus Ziegenmilch, Kuhmilch oder aus einer Mischuung beider Milchsorten hergestellt. Je nach Geschmack kann man sie frisch oder reif kosten. Durch zwei Verarbeitungstechniken werden formaggini alti a pasta acida (Frischkäslein aus saurem Teig) oder formaggini bassi a pasta dolce (aus süssem Teig) hergestellt. Das Zincarlin stellt ein weiteres typisches produkt dar. Es besteht aussaurem Teig, dem Kräuter und Pfeffer zugegeben worden sind.

Fontane

In jedem Dorf findet sich der alte Dorfbrunnen. Wenn man die Ohren spitzt, dann hört man noch immer das Geschwätz der Waschweiber.

Das Ganze Valle di Muggio ist ein Freilichtmuseum. Beim Wandern und Spazieren trifft der interessierte Besucher immer wieder auf diese Zeichen bei den Wegweisern.

Museo Etnografico Valle di Muggio (MEVM)